Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt, behaart und mit böser Visage, Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt, die Welt asphaltiert und aufgestockt, bis zur dreißigsten Etage.
Erich Kästner
Mit den obigen Worten beschrieb einst Erich Kästner die Entwicklung der Menschheit. Ostheim hat zwar keine 30-stöckigen Hochhäuser zu bieten. In seiner Geschichte aber auch etwas zum Hausbau beigetragen.
Wo heute das Wohngebiet „Am Ziegelweiher“ besteht, waren bis zu seiner Erschließung 2001 noch Reste der letzten Ostheimer Ziegelei zu finden. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts konnten sogar die alten Feldbahngleise noch in ihrem Verlauf durch die Ringstraße verfolgt werden. Auch heute kann man in der umliegenden Landschaft manchmal „unnatürliche“ Hänge betrachten. Hier wurde der für die Ziegeleien benötigte Lehm abgebaut.
In unserem modernen Zeitalter ist es leicht an Informationen zu Ziegeleien und dem Ziegeleihandwerk zu kommen. Um Geschichte aber mit Leben zu erfüllen bedarf es den Erinnerungen von Menschen die sie erfahren haben. Dies gilt auch für die nachfolgende Geschichte der Ostheimer Ziegeleien die zum größten Teil den Erinnerungen von Heinrich Köppel entstammt.
Die Ostheimer Ziegeleien (nach Heinrich Köppel)
Eine große Tradition hatte die Fabrikation von Mauerziegeln in Ostheim. Der tonhaltige Lehmboden der südlichen Wetterau ermöglichte es, nahe den Orten Lehm abzutragen und ihn im Feldbrandverfahren zu Ziegelsteinen zu verarbeiten, die im Volksmund auch Backstaa oder Russestaa genannt wurden.
Urkundlich wird berichtet das wohl die erste Feldbrandziegelei zwischen Ostheim und Windecken stand. Der Gemeinderechner und Chronist Kohl schreibt dazu (1812 / 1813) „[…] einen Graben, der von der Ziegelhütte obenher durch die Mühlweide an den Bornlöchern herabführt durch den sogenannten Illming hinter seinem Haus […]“. Der erwähnte Graben sollte Wasser auf die Mühlräder der Ostheimer Mühle leiten. Der Betreiber L. Wasem stellte Ziegelsteine für den Haus- und Scheunenbau her. Die Abbauwand zwischen Städter Grund und Leimenkaute (dies geht auf die altdeutschen Bezeichnungen für Lehm = leimen und Loch = Kaute zurück) betrug nach den Überlieferungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits 12 m Höhe.
Die erste Ziegelei in Ostheim war der Betrieb von Heinrich Brodt, genannt der „Zielhetter“. Sein Haus stand dort, wo später das Wohnhaus von Dahlheimer stand, Ecke Rommelhäuser Str. und Eicher Tor (Eicher Tor 2). Hinter seinem Anwesen entlang der Straße nach Rommelhausen wurde das Material abgebaut und im Feldbrandverfahren zu Ziegelsteinen verarbeitet. Der Besitzer hatte zwei Söhne. Der eine war der „Zielhettersch Heinrich“ und der andere wurde genannt der „Bürgermastersch Kasper“. Beide hatten kein Interesse an der Ziegelfabrikation und wurden Landwirte. So wurde der Betrieb eingestellt. Überliefert ist, dass das Wohnhaus der Familie Brodt an der Rommelhäuserstraße komplett abgebaut und in Langenbergheim wieder errichtet wurde.
Anschließend an das Grundstück vom „Zielhetter“ gründete dann ca.1895 Heinrich Kester eine Feldbrandziegelei an der Straße nach Eichen. Hinter dem heutigen Hof von Heinz Kester wurde das Material abgebaut. Es gab auch schon eine Unterkunft für die Arbeiter, die sich auf dem späteren Anwesen der Familie Zinkan befand und teilweise beim Umbau zu Wohnzwecken erhalten blieb. Leider zeigt sich hier das Material immer ungeeigneter für die Ziegelfabrikation. So wurde beim Bau des Hofes von Kaspar Brodt (heute Waas) in der Schinnergasse, das gesamte Erdreich in die Ziegelei Kester geliefert für die Produktion. Später mußte der Betrieb verlegt werden und begann neu an der Marköbler Straße (heutiges Sportplatzgelände). Im Jahre 1927 wurde der Betrieb dann eingestellt.
Im Jahre 1894 begann der Ostheimer Landwirt Wilhelm Brodt VI - „es Grellemännche“- eine Feldbrandziegelei östlich der Straße nach Hanau. Nach 1900 arbeiteten dort schon 15-20 Feldbrandziegler. Die abgetragene Lehmwand, heute Nähe Norma-Markt, war nach 1925 schon über 9 m hoch. Der Ofen zum Abbrennen der Steine stand zumeist am Wiegenweg – der heutigen Wiegenstraße - etwa in Höhe der Kurve zur „Seife“, dem heutigen Lerchenweg. Der Betrieb stellte im Jahre 1939 seine Fertigung ein. Das Fahrzeug, mit dem die Steine zu den Bauten gefahren wurden, wird vielen noch bekannt sein, insbesondere durch das Pferd, das den Wagen zog. „Remo“ war sein Name und er war ein imposanter Kaltblüter.
Im Jahre 1880 begannen die Gebrüder Altvater an der Straße nach Roßdorf - an der Hanauerstraße - mit der Fabrikation von Ziegelsteinen. Sie errichteten eine große Werkshalle für maschinelle Verformung und einen festen Ringofen zum Brennen der Steine. Die Trocknung der Rohlinge erfolgte in großen Trockenhallen, so dass man weitgehend wetterunabhängig produzieren konnte. Die Ziegelei hatte zwei große Schornsteine, wovon der eine für den Ringofen benötigt wurde und der kleinere für die Dampfmaschine, die Energie für die Aufbereitung und Verformung der Steine lieferte. Etwa 1933 / 1934 stellte die Familie Altvater den Betrieb ein.
Den größten Ziegelbetrieb errichtete der Landwirt Jakob Schütz im Jahre 1895 an der Straße nach Marköbel. Als Ende der 1990er Jahre der Ostheimer Tennisclub sein Clubhaus baute wurden Reste der Ziegelei zu Tage gefördert. Mittels einer Dampfmaschine erzeugte man die Energie für die maschinelle Verformung. Mit sieben Mitarbeitern wurde der Betrieb angefangen und ständig erweitert. Wegen schlechter Verkehrsanbindung und weil geeignetes Land zum Anbau fehlte, kaufte Jakob Schütz ein großes Grundstück unmittelbar an der seit 1879 bestehenden Bahnlinie Hanau - Friedberg. Hier wurde die Fabrikation wieder aufgenommen und der Betrieb, dem anfangs auch noch ein Sägewerk mit 3 Vollgattern angeschlossen war, ständig erweitert. Die Dampfmaschine wurde von der Marköbeler Straße abtransportiert und hier wieder aufgestellt. Die Betriebsgebäude zur Aufbereitung und zur Verformung wurden errichtet, Trockenhallen und ein Ringofen gebaut, und dazu eine neue Scheune für die umfangreich noch betriebene Landwirtschaft. Günstig wirkte sich auch aus, dass der Betrieb Gleisanschluss bekam, was den Transport der Steine wesentlich erleichterte.
Im Jahre 1924 errichtete die Firma die ersten Trockenkammern, dadurch wurde eine schnellere Trocknung und ein größerer Ausstoß erreicht. Da sich das System bewährte, errichtete man 1927 eine zweite Trocknung und war somit von der Lufttrocknung völlig unabhängig und in der Lage, die Kapazität des Ringofens voll zu nutzen. Das Sägewerk wurde eingestellt. Wurde bislang das Material von Hand gewonnen wurde im Jahre 1928 ein Bagger angeschafft. Dieser konnte sowohl oben als auch unten von der Wand abheben. Da er auf Schienen stand war es auch einfach ihn seitwärts zu bewegen.
Im Jahre 1933 musste die Ziegelfabrikation wegen vorübergehender Schwierigkeiten eingestellt werden. Zu dieser Zeit wurden noch weitere Ziegeleien geschlossen - in Bruchköbel die Firma Albau und die Firma Urban - in Niederissigheim eine Ziegelei sowie, bereits erwähnt, in Ostheim die Ziegeleien Altvater und Schütz. Durch einen Onkel der Betreiber der Ziegelei Schütz - Friedrich Wilhelm Schütz - wurden dann die Ziegeleien in Ostheim - Altvater und Schütz - aufgekauft und zusätzlich die Ziegelei in Niederissigheim. Danach nahmen dann alle drei Betriebe die Produktion wieder auf und produzierten ausschließlich Mauerziegel.
Als 1933 Hitler die Macht übernahm geriet auch die Ziegelei in die, zumindest örtlichen, Schlagzeilen. Da hing am Schornstein doch tatsächlich eine kommunistische rote Fahne. Während die Ortsgrößen noch mit Beratung beschäftigt waren kletterte ein Jugendlicher die Sprossen im Schornstein hoch und entfernte das „Ärgernis“.
Ebenfalls Mitte der 1930er Jahre stürzte ein mit Steinen aus der Ziegelei Schütz beladener Lastwagen mit Anhänger auf die Gleise. Er hatte das Geländer der Eisenbahnbrücke in Richtung Hanau durchbrochen und blieb kurzzeitig noch im Geländer hängen, sodass Fahrer und Beifahrer abspringen konnten.
1939 wurden die meisten Mitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen und in allen drei Werken kam die Produktion zum Erliegen. Im Jahre 1942 verkaufte Friedrich Wilhelm Schütz seine drei Ziegeleien an die Firma Burger Söhne, Schweizer Stumpenfabriken in Emmendingen (Baden).
Im Jahre 1946 wurde die Fabrikation von Mauerziegeln wieder aufgenommen, und zwar im Werk Bahnhofstraße (ehem. Schütz). Im Werk an der Hanauer Straße (ehem. Altvater) wurde der Brennofen abgerissen und mit Hilfe von Geldern aus dem Marschallplan durch einen neuen ersetzt. Zusätzlich wurde eine neue Trockenanlage gebaut. In diesem Werk wurden später Dachziegel fabriziert. Und zwar drei verschiedene Formate von Biberschwanzziegeln, Doppelfalzziegeln und Rheinlandpfannenziegeln. Die beim Einsetzen des Brenngutes für die Feuerschächte im Ofen benötigten Mauerziegel wurden im Werk am Bahnhof produziert und als Rohlinge getrocknet und mit einer Feldbahn in das andere Werk gebracht. Zunächst wurde hier das Material für die Dachziegelfabrikation noch von Hand gewonnen. Später wurde ein Bagger angeschafft, der ca. 18 m Arbeitshöhe hatte. In Spitzenzeiten Anfang der 50er Jahre arbeiteten in beiden Betrieben bis zu 120 Mitarbeiter.
Als nach dem Krieg die Arbeiten in der Ziegelei wieder aufgenommen wurden erlangten die produzierten Ziegelsteine den Status einer Ersatzwährung. Die Arbeiter verlangten außer ihrem Lohn in wertlosem Geld zusätzlich 400 Ziegelsteine pro Woche. In seinen Erinnerungen berichtet Hans Östreich auch von den Umrechnungskursen: 1 Zentner Mehl oder 5 Stangen Zigaretten waren für 1.000 Ziegelsteine auf dem Schwarzmarkt zu erhalten. Die Bezeichnung „steinreich“ erhielt damit wohl eine neue Bedeutung.
Der ehemalige Betrieb Schütz an der Bahnhofstraße produzierte Mauerziegel, Deckensteine und später Gitterziegel verschiedener Maße. Der Ringofen zeigte zunehmend Mängel, weshalb man sich zum Neubau eines Ofens entschloss. Errichtet wurde nun ein Tunnelofen mit modernster Technik. Das Brenngut wurde auf, mit Schamotte-Steinen gesicherten, Wagen aufgesetzt und in den Ofen geschoben. Nachdem die Steine gebrannt und wieder abgekühlt waren, wurde der Wagen am anderen Ende des Tunnels wieder herausgenommen. In diesen modernen Ofen wurden dann auch Klinkersteine für Kanalbau und Hochbau gebrannt. Das Material dafür (Tonerde) wurde in Ravolzhausen gewonnen und mittels LKW nach Ostheim gebracht. Zwischen 70 und 80 in Größe, Form und Farbe verschiedene Steine wurden zeitweilig gefertigt.
Leider wurde durch einen Brand am 17. Januar 1970 der Betrieb im schwer beschädigt und nicht wieder aufgebaut. Der Eigentümer verlegte die Produktion nach Ravolzhausen. Hier stand sowieso besseres Grundmaterial, fast reiner Ton, an. So gibt es den Beruf des Ziegeleifacharbeiters, der in Ostheim eine große Tradition hatte, nicht mehr.
Das Ziegeleigelände rechts vom Bahnhof ist heute eine Wohnsiedlung. Das Ziegeleigelände links vom Bahnhof wird vom Raiffeisenverband als Zentralverkaufsstätte, ein zweiter Teil wird von Albert Becht als Betriebsstätte für Heizung und Sanitär genutzt.
Das Material und die Technik
Der zur Herstellung von Ziegelsteinen verwendete Lehm besteht aus Sand, Schluff und Ton. Er entsteht bei der Verwitterung von Mineralien welches anschließend durch Wind ausgeblasen wird. Der bei uns vorkommende Löss, eine der verschiedenen Lehmarten, entstand während der Eiszeiten durch Frostsprengungen. Die fehlende Vegetationsdecke ermöglichte den vorwiegend aus westlichen Richtungen kommenden Winden das Material zu verblasen und in der heutigen Wetterau abzusetzen. Der für die Herstellung von Ziegelsteinen wichtigste Bestandteil des Lehms, der Ton, besteht aus feinkörnigen Mineralien mit wechselndem Wassergehalt. Beim Trocknen und Brennen härtet das Material aus.
Gebrannte Ziegelsteine haben im Allgemeinen eine große fast unbeschränkte Lebensdauer und durch ihre Haltbarkeit sind sie am Bau auch gut belastbar. Die handgeformten Ziegelsteine hatten eine sehr gute Wärmedämmung, weil bei der Verformung mehr Luft im Rohmaterial verblieb, als dies später bei der maschinellen Verformung der Fall war. Dafür waren die maschinell hergestellten Steine genauer im Maß als die Feldbrandziegel, wo schon mal ein Stein aus der Form geriet und als „Pannkouche“ (Pfannkuchen) tituliert wurde. Durch die aktuellen Diskussionen zur Wärmedämmung von Häusern gewinnen auch diese Tatsachen wieder an Bedeutung.
In der vorindustriellen Zeit wurden Ziegelsteine in Feldbrandöfen hergestellt. Die gesamten im Rahmen der Fabrikation notwendigen Arbeiten wurden auf Akkordbasis durchgeführt. Zuerst wurde das Rohmaterial abgestochen und in etwas tieferen Gruben gelagert. Hier wurde das Material gewässert, und nach einigen Tagen zogen die Männer kurze Hosen an oder krempelten die Hosenbeine hoch und stampften in dem gewässerten Rohmaterial, damit sich dieses besser aufschloss. Lies man die Masse über Winter liegen und durchfrieren erhielt man eine feinkörnigere Substanz. Anschließend entfernte man Beimengungen von festen und organischen Bestandteilen. Wurde das Material dann für gut befunden wurde, kam es zur Verarbeitung. Es wurde auf Schubkarren geladen und auf eine schräge, aus Holz gefertigte, schiefe Ebene hochgeschoben und auf den sogenannten Tisch gekippt. Hier wurden große Klumpen geformt, die mit einiger Wucht in die Holzformen geworfen wurden. Anschließend wurde oben mit einem Drahtwerkzeug das überflüssige Material von der Form gezogen. Die Form war ein stabiler Holzkasten, der zwei geformte Steine aufnehmen konnte. Nach dem Verformen wurden die in der Form befindlichen Rohlinge „abgetragen“, d.h. sie wurden auf einer ebenen Fläche nebeneinander abgelegt. Nach dem Antrocknen wurden die Rohlinge, die nun formfest waren, lederhart sagt man fachlich, in Reihen von ca. 1 ,50 m Höhe in einem luftigen Trockenschuppen aufgesetzt, bis der Trocknungsprozess abgeschlossen war.
Die getrockneten rohen Ziegel wurden dann in einem Meiler so aufgesetzt das zwischen ihnen Röhren für die Verteilung der heißen Luft blieb. Die Meiler wurden außen mit außen mit Lehm verkleidet. Der Brennvorgang dauerte ca. 14 Tage. Zusammen mit der Heizphase und dem Abkühlen vergingen bis zu 4 Wochen. Aufgrund der unterschiedlichen Temperaturverteilung war der Ausschuss sehr hoch. Die hierbei gefertigten Feldbrandsteine waren unter der Bezeichnung „Russestaa“ (wegen dem Ruß-Gehalt) bekannt. Sie wurden direkt vor Ort verkauft und kamen mittels Pferdefuhrwerken dann zu den Baustellen im Umland. Die Feldbrandziegeleien wurden an einer Stelle nur solange betrieben bis kein Material mehr abgebaut werden konnte, bis das Feld ausgeziegelt war. Diese Feldbrandtechnik wurde bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts angewandt.
Die technische Weiterentwicklung führte zu Öfen mit gleichmäßiger Temperaturführung verminderten den Ausschuss. Durch die Einführung von Ringöfen (1859) mit Dauerbrandbetrieb entfiel das langwierige Aufwärmen und Abkühlen des Ofens. Bei den Ringöfen lief nicht das zu brennende Gut im Ring sondern die Befeuerung wurde ringförmig daran vorbeigeführt.
Auch die Einführung von Tunnelöfen, jetzt wurde das Brenngut am „Feuer“ vorbei bewegt, brachte die Produktion von Ziegelsteinen weiter.
Literaturverzeichnis
- Fink, F. (1925). Alt-Ostheim
- Nidderau (Hrsg.). (2000). Nidderauer Hefte 9. Chronik Ostheim 2000
- Östreich, Hans. Erinnerungen
- www.geschichtsverein-ostheim.de/ziegelei.htm