Geschichtsweg Erbstadt

Pfaffenhof

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    Altes Gebäude mit einer Steinmauer davor
    Der Pfaffenhof, von der Hauptstraße aus

    Bereits im mittelalterlichen Dorf gab es mehrere bedeutendere Herrschaftshöfe. Aufgrund urkundlicher Erwähnungen ist z.B. davon auszugehen, dass das nahe Kloster Naumburg hier einen Herrenhof (Fronhof genannt) unterhielt, der 1448 zuerst genannt wird. Die klösterlichen Pachtbauern hatten sich drei Male im Jahr zu einem Höfischen Gericht zu treffen, wo alle regelmäßig anfallenden Pacht- und Dienstangelegenheiten geklärt wurden. Zu diesen Höfen gehörte auch der Pfaffenhof des Prämonstratenserklosters Ilbenstadt, des größten Grundbesitzers. Auch hierzu gehörte ein Höfisches Gericht, das ein Mal im Jahr, am 2. Januar tagte. Es wurde Kohlengericht genannt Außerdem muss es auch hier einen ritterlichen Sitz, einen festen Hof gegeben haben, da sich nach Erbstatt eine seit 1237 urkundlich erwähnte niederadlige Familie nannte. Wo all diese herrschaftlichen Höfe lagen, ist bisher nicht bekannt.

     

    Fast der gesamte Grundbesitz Erbstadts gehörte im Mittelalter dem Prämonstratenser-Kloster Ilbenstadt, zusammen mit dem untergegangenen Dorf Winnen.

    Schon 1286 besaß das Kloster Ilbenstadt 25 Morgen in Erbstadt. Es folgten weitere Erwerbungen.

    732 ½ Morgen Acker gehörten dem Kloster wenige Jahre später („Erbstädter Hof“).

    1466 gab es eine genaue Beschreibung des Erbstädter Hofes: 1260 Morgen gehören dem Kloster, davon 407 Morgen in Winnen.

    Erbstadt war (bis zur Auflösung des Klosters 1803) abhängig vom Kloster. Fast alle Bewohner waren Pächter und damit zu Hand-, Spann- und Frondiensten verpflichtet.

     

    Der Name „Pfaffenhof“ taucht erst mit dem Eintritt Erbstadts in die Stadt Nidderau auf, vorher hieß er „der Hof“ oder „das Hofhaus“, so hört man es auch heute noch oft.


    In den Jahrzehnten vor 1750 wurde der heutige, vom Baustil des Barock geprägte Pfaffenhof als großer, befestigter Gutshof an die Nordseite des vom Haingraben umgebenen Dorfes gebaut.

    Schwarz-weiß Foto des Pfaffenhofes
    1924: der Pfaffenhof liegt am Dorfrand im freien Feld... Ansicht aus Richtung Bönstadt. Im Bild Wilhelm Rupp, gen. „Woll-Rupp“. 

    Es gab in der Nähe zwei weitere, dem Kloster Ilbenstadt gehörende „Pfaffenhöfe“: Den Baiersröder Hof (zwischen Ostheim und Marköbel) und den Dottenfelder Hof (zwischen Bad Vilbel und Gronau)

    Beide Höfe werden heute noch landwirtschaftlich betrieben.

    Im Rahmen der Säkularisierung 1803 fiel der Pfaffenhof wie das Kloster Ilbenstadt  an die Grafen von Altleiningen-Westerburg und wurde weiter landwirtschaftlich genutzt.

    Auch Erbstädter Bauern waren zeitweise Pächter des Pfaffenhofs, bis in die 1950er Jahre gab es noch die Bezeichnung „Hofleut“ für diese Bauernfamilien.

    Der Beinamen „Schweizerch“ für einige Familien in Erbstadt hat nichts direkt mit eingewanderten Eidgenossen zu tun. „Schweizer“ ist eine alte Bezeichnung für Melker (die über lange Zeit aus der Schweiz kamen) und Vorfahren der so genannten Erbstädter Familien waren Melker auf dem Pfaffenhof.

    Nach alten Überlieferungen hatte der Pfaffenhof für diese Erbstädter noch eine besondere Bedeutung: War nämlich irgendeiner von ihnen mit dem Gesetz in Konflikt geraten und gelang ihm die Flucht auf den Pfaffenhof, so durfte er nicht mehr verfolgt werde.

    Daher rührt auch die Bezeichnung „Freihof“ für den Pfaffenhof.

    Auch die Geschichten über das „Kohlengericht“ und das „Bönstädter Pfingstrecht“ sind eng an den Pfaffenhof gekoppelt.

    Schwarz-weiß Foto des Pfaffenhofes
    Pfaffenhof, Luftaufnahme von 1974

    Obwohl verschiedene Gebäude des Pfaffenhofs, besonders Scheune und Stallungen, heute nicht mehr als solche genutzt werden, besticht der Gesamtkomplex und hier besonders das Wohnhaus, das ehemalige Herrenhaus.

     

    Der Pfaffenhof ist eine nahezu quadratisches Bau-Ensemble an der heutigen Hauptstraße.

    Er zeigt noch die Wappensteine des Klosters Ilbenstadt aus den Jahren 1713 und 1748 sowie das Privatwappen des Jakob Münch (von 1725 bis zu seinem Tod 1750 zweiter Abt von Ilbenstadt) am Haupthaus.

    Zwischen den Gebäuden waren Mauern, zur Hauptstraße ein Zaun. Die Fenster des Erdgeschosses waren vergittert und der Eingang zur Hauptstraße kam erst mit der Nutzung des Hofes als Rathaus.

    Somit wirkte der Hof durchaus wie eine Festung.

    Die Bauten des großen barockzeitlichen Wirtschaftshofes ist im wesentlichen aus gelbem Sandstein erbaut, der im hiesigen Steinbruch („Steinkaute“) gewonnen wurde. Die aus rotem Sandstein gearbeiteten Werksteine stammen aus den Steinbrüchen bei der nahen Naumburg.

    Im Osten des Hofes, traufenseitig zur vorbeiführenden Landstraße, steht traufenseitig das repräsentative Herrenhaus (mit einer Länge von 30 Metern, einer Breite von 15 Metern), umgangssprachlich: das „Hofhaus“genannt.

    Die eigentliche „repräsentativ“ wirkende Schauseite des insgesamt nur mit bescheidenen Schmuckformen ausgestatteten großen Herrenhauses öffnet sich aber zum Hofraum hin.

    Der Keller wird von mächtigen Kreuzgratgewölben überspannt, die in Kellermitte von mächtigen, nur 50 cm hohen Rechteckpfeilern mit einfachen Kämpferplatten aufgefangen werden.

    Die Interpretation ist zulässig, dass der Erbstädter Hof mit seinem Hauptgebäude und den gut ausgestatteten Wirtschaftsbauten als Sommersitz der Äbte von Ilbenstadt dienen sollte.

     

    Im Jahr 1921 wurde der Pfaffenhof mit den dazugehörigen Ländereien von der Gemeinde Erbstadt gekauft und 1926 wurden Wohnungen für ärmere Mitbürger im Herrenhaus  eingerichtet.

    Im und nach dem Krieg wurden dazu noch Ausgebombte und Flüchtlinge untergebracht.

    Auch der große „Gemeinschaftssaal“ im Erdgeschoß musste in Wohnungen aufgeteilt werden.

    Von 1935 bis 1951 war die Gemeindeverwaltung, das Rathaus, im Haupthaus eingerichtet, von 1951 bis 1970 im Brennhaus.

    Von 1952 bis 1967 waren in den ehemaligen Verwaltungsräumen Schulklassen der Erbstädter Volksschule untergebracht.

    Danach zog die Schützengilde Erbstadt in diese Räume ein und errichtete später einen Anbau.

    Der Dachstuhl des Haupthauses wurde 1987 komplett erneuert.

    Im gepflasterten Innenhof war vor der Freitreppe ein Brunnen. Dort ist heute ein abgedeckter Schacht.

    Im Hauptbau und in den Remisen gab es bis 1968 keine Toilettenanlagen. Es stand ein separates Toilettenhaus mit sechs separaten „Sitzgelegenheiten“ im Hof, dort wo früher der Misthaufen war und heute der Wäscheplatz ist.

    Gegenüber dem Haupthaus befindet sich eine große Scheune, die seit 1994 im Privatbesitz ist. Der damalige Kaufpreis war 150.000, DM. Die Form des Scheunendaches war dem Haupthaus angepasst (Krüppelwalmdach). Das Gebäude ist nach dem 2.Weltkrieg zweimal abgebrannt und wurde nur mit Eternitplatten neu eingedeckt.

    In der Scheune war rechts auch der Schafstall, die zugemauerte Tür und  das zugemauerte Fenster sind noch zu sehen.

    Zum Hofgut gehörte auch das „Brennhaus“, neben dem Hauptgebäude. Ursprünglich wurde dort Schnaps gebrannt. Mit Einrichtung der Wohnungen im Pfaffenhof war dort die Waschküche.

    Seit 1971 ist es in Privatbesitz und mit einem modernen Anbau versehen.

    Das Brennhaus war auch, wie bereits erwähnt,  von 1951 bis 1970 das Erbstädter Rathaus.

    Im nördlichen Gebäude war der Pferde-, Kuhstall.

    Unter dem Dach wurden Stroh und Getreide gelagert.

    Dieser Trakt wurde am 28.3.45 beim Einrücken der Amerikaner von einem Panzergeschoß beschädigt, aber nicht in Brand geschossen.

    Da in der Folgezeit Teile des Gebälks herausgesägt wurden, brach das Dach zusammen.

    Die Stallungen  verfielen und wurden abgerissen, um dort das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Erbstadt zu errichten. Nach dem Umbau erfolgte 1968 die Einweihung. Im ehemaligen Kuhstall stehen jetzt die Brandlöschfahrzeuge, im früheren Pferdestall wurden u.a. die Toilettenanlagen eingebaut.

    1978 wurde im Dachgeschoß eine Wohnung für eine Großfamilie eingerichtet. Seit deren Auszug wird jetzt das gesamte Gebäude von der Feuerwehr genutzt.

    Zwischen diesen Stallungen und dem Brennhaus war nach Norden hin, Richtung Bönstadt, ein Holztor.

     

    Im südlichen Gebäude waren die Remise (Unterstand für Wagen und Kutschen) und Stallungen für Kleinvieh eingerichtet. Im Obergeschoß befanden Wohnräume für das Gesinde.

    In diesen Räumen waren von 1940-45 französische Kriegsgefangene untergebracht, die tagsüber bei Bauern gearbeitet haben und nachts bewacht wurden.

    Neben dem Herrenhaus, zu den Remisen hin an der Hauptstraße, liegt das bemerkenswerte (barocke) Eingangstor des Hofes. Hier ist auch eine Tafel mit der Beschreibung des Pfaffenhofes befestigt.

    Der Gang zwischen den Haupttor und den Remisen wurde erst 1935 durch die Mauer gebrochen (heute „In der Ecke“).

    Nicht zuletzt aufgrund seiner zentralen Lage und der Architektur - ein vierseitig durch große Bauten umstandener Platz - ist der Pfaffenhof ein beliebter Treffpunkt und Ausgangsort für Wanderungen.

    Das Dorffest der Erbstädter Vereine findet im Hof statt und im Keller des Herrenhauses feiert der Obst- und Gartenbauverein regelmäßig Jahr sein Kelterfest.

    Nachdem der Verkauf des Pfaffenhofgeländes für eine Wohnbebauung nicht zustande kam (2004), dient das Hauptgebäude als Domizil für mehrere Erbstädter Vereine und im Anbau hat der Schützenverein sein Domizil.

     

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    Aus dem Denkmalschutzverzeichnis:

    Sog. Pfaffenhof, ehem. Wirtschafts- und Freihof des Prämonstratenserklosters Ilbenstadt

    Raumgreifende Vierflügelanlage, im sichtbaren Bestand um 1700 auf bestehenden Substruktionen eines mittelalterlichen Wirtschaftshofes des Prämonstratenserklosters Ilbenstadt als nunmehr Freihof und Wohnsitz des Ilbenstädter Propstes erbaut. Die die Anlage in ihrer malerischen Wirkung unterstützenden, heute steinsichtigen Bauten des 18. Jahrhunderts dienten als Wohnhaus, Stallungen mit Gesindekammern und Remisen. Wie die Vorsprünge der sandsteinernen Gewände etc. belegen, waren die Bauten ursprünglich verputzt bzw. auf Verputz hin geplant. Im Außenaufriss des die Anlagedominierenden, zweigeschossigen Wohnhauses des Propstes waren bis zum Neuverputz 2007 horizontale Baufugen erkennbar, die ein unteres hammergerechtes Schichtenmauerwerk aus Sandsteinquadern (Ecksteine mit Randschlag und gespitztem Spiegel) von einem Bruchsteinmauerwerk auf Höhe des erhöhten Ergeschosses und einemvermehrt kleinteiligem Bruchsteinmauerwerk im heutigen 1.OG unterscheiden ließen; vertikale Baufugen waren hingegen nicht eindeutig ablesbar. So bleibt die exzentrische Erschließung des Wohnhauses über eine schlichte zweiläufige Freitreppe und ein Rundbogenportal mit überfangendem Segmentbogengiebel (im Giebelfeld das Wappen des Klosters*) auffällig, ohne dass sie erklärt werden kann. Die über dem hohen Kellerhals mit Außenzugang aufgehenden zwei Vollgeschosse wurden im Verlauf des 20. Jahrhundert in Wohnungen unterteilt; erhalten blieben jedoch einige recht straff ausgeführte, spätere Stuckierungen in den abgeteilten Mittelgängen sowie einige Türen des 18. Jahrhunderts mit originalen Beschlägen. Besondere Beachtung verdient der sich über etwa zwei Drittel der Gesamtfläche erstreckende Kellerraum, dessen Kreuzgewölbe vier freistehende Pfeiler und korrespondierende Halbpfeiler an den Umfassungswänden abtragen. Nach einemeinzelnen, heute durch leichte Trennwände angegrenzten Gewölbejoch zu folgern, handelte es sich ursprünglich vermutlich um ein schlichtes Kreuzgratgewölbe. Pfeiler und Wandvorlagen zieren zudem kissenartige, wuchtig ausgearbeitete Kämpferplatten, deren stilistische Ausarbeitung an eine Bauzeit im späten 12. bzw. frühen 13. Jahrhundert denken lässt; neben den Abakusformen der Gelnhäuser Pfalzvorhalle (um 1170) vergleiche man auch die kissenartigen Abakus- und Kapitellformen im Mittelschiff (um 1180-1232)und in der Vorhalle (nach 1232) des Fritzlarer Doms, die hier stellvertretend für eine Reihe anderer Vergleichsbeispiele stehen, den stilistischen Rahmen jedoch recht klar umreissen. Unter Vorbehalt ausstehender bauarchäologischer Erkenntnisse handelt es sich u.U. um einen der ältesten profanen Räume im Altkreis Hanau. Es wurde bereits verschiedentlich über die ursprüngliche Nutzung des Raum diskutiert undauch eine sakrale Funktion erwogen. Anlass hierzu gaben die relativ flach über dem Bodenliegenden Kämpferplatten und die extreme Stärke der Ostwand des Kellerraums, die sich auch im Erdgeschossbereich fortsetzt, so dass an einen ursprünglich höheren und freistehenden Gewölberaum zu denken war; tatsächlich befindet sich das historische Laufniveau laut archäologischer Untersuchungen jedoch nur etwa 60cm tiefer als das heutige. Im Fassadenbereich sind drei horizontale Baufugen offensichtlich (s.o.); Abbruchfugender angeblichen Ostaußenwand oder älterer Fenster sind indes nicht festzustellen.1713 entstand die gegenüberliegende, durch hohe Rundbogentore geöffnete Scheune, 1747der zweigeschossige, mit Ställen und Wohnkammern für das Gesinde sowie seitlichen Gewölben (Remise) ausgestattete Nutzbau, an dessen Traufe sich das Privatwappen des von 1725 bis 1750 der Abtei vorstehenden Abtes Jacob Münch erhielt ("IMAI" = "I[akob[ M[ünch] - A[bbas] I [lbenstadtensis]"); ein weiterer Wappensteindatiert „1720". Ein dritter, wohl ebenfalls im 18. Jahrhundert entstandener Nutzbau brannte Ende des 20. Jahrhunderts nieder und wurde zu zwei Dritteln durch einen modernen Neubau(heute Feuerwehr) ersetzt. Ein heute zum Einfamilienwohnhaus umgenutzter, giebelständiger Bau stammt ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert und diente früher als Brennerei (Nr. 2a).Den Hof grenzte eine hohe Hofmauer mit Schmucktoren von der Umgebung ab; erhalten hat sich ein kurzer Mauerabschnitt entlang der Hauptstraße, dessen Stilistik in das 16./des 17.Jahrhundert verweist und demnach deutlich älter datiert oder aber in bewusst traditioneller Formensprache entstand: Das von zwei Pfeilern mit Kugelaufsätzen flankierte Wagentor steht wie auch die seitliche Ziersteinen ausgelegte Fußgängerpforte in der Tradition der Spätrenaissance und zeigt ein dementsprechend rustikales Ziermauerwerkaus diamantierten und gefelderten Schmucksteinen. Nachdem der Freihof über gut 100 Jahre im Besitz der Grafen von Leiningen-Westerburg war (seit 1803), wurde er 1921 von der Gemeinde erworben.