geschichtsweg Eichen

Untertor

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    Am südlichen Ende der Kleinen Gasse liegt das Untertor, das wegen seiner historischen Bedeutung in die Liste der hessischen Kulturdenkmäler aufgenommen wurde. Das Jahr der Errichtung 1682 steht auf der nördlichen, dem Dorf zugewandten Innenseite des Tores. Darüber stehen die Namen der damaligen Ortsvorsteher: „Herr Honus Mörsel Schultheis und Johan Peter Müller Heinrich Osthaust Burgmeister“. Es handelt sich dabei zum einen um Johannes Mörschel (1651–1692?), der als Schultheiß der Gemeinde vorstand und die niedere Gerichtsbarkeit ausübte. Mörschel stammte aus Erbstadt und lebte seit 1676 in Eichen, wo er mit Margarete Wentzel verheiratet war. Die beiden anderen waren die Bürgermeister des Dorfes. Johann Peter Müller gehörte einer alteingesessenen Eicher Familie an, während der Leinweber Heinrich Osthauß († 1711) aus Brandenburg nach Eichen gekommen war und dort im Jahr 1678 in eine Eicher Familie eingeheiratet hatte.

    Das Untertor war früher verschließbar und bildete mit dem nicht mehr erhaltenen Obertor (Ecke Obergasse/Friedhofstraße) und dem sogenannten „Scheunenring“ die Befestigung des Dorfes Eichen, die beim Wiederaufbau des Ortes nach dem Dreißigjährigen Krieg errichtet wurde. Die Scheunen wurden an der Rückseite der Höfe eng aneinandergebaut, und in vorhandene Lücken pflanzte man Hecken aus dornigen Pflanzen („Gebück“), um ein Eindringen in das Dorf zu erschweren. Einem Überfall durch bewaffnete Söldner wie im Dreißigjährigen Krieg hätte diese Befestigung allerdings auch nicht standgehalten. Ihr wichtigster Zweck war es, umherziehende Diebe und andere Gesetzlose von dem Eindringen in das Dorf abzuhalten.

    Ursprünglich befanden sich an beiden Toren Holzpforten, die nachts verschlossen wurden. Überlieferungen zufolge war es die Aufgabe der Bäcker, die morgens früh aufstehen mussten, die Pforten zu öffnen, damit die Bauern ihre Äcker erreichen konnten. Die Pfarrer legten zudem großen Wert darauf, dass die Tore während des Gottesdienstes geschlossen blieben, damit die Jugendlichen sich nicht aus dem Dorf entfernen und anderen Vergnügungen nachgehen konnten.

    Vom Untertor führt ein historischer Zeitstrahl an der Kirche und der alten Schule vorbei bis zur Kleinen Gasse. Zwölf Tafeln informieren über bedeutende Stationen der Dorfgeschichte. In der mittleren Steinzeit begann die Besiedlung der Region. Archäologische Funde belegen, dass es hier keltische, römische und germanische Siedlungen gab. Aber erst im Jahr 1035 wurde der Ortsname zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Weitere wichtige Stationen sind der Übergang des Dorfes zum protestantischen Bekenntnis im 16. Jahrhundert, die vollständige Zerstörung während des Dreißigjährigen Krieges, der Wiederaufbau – symbolisiert durch die Einweihung der neuen Kirche im Jahr 1712, der Anschluss an das Eisenbahnnetz 1905, der Beginn der Naziherrschaft 1933, die Ankunft von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen 1945/46, der Anschluss Eichens an die Stadt Nidderau 1972 und die 950-Jahrfeier im Jahr 1986.

    Markante Bauwerke säumen den historischen Weg. Vom Untertor führt der Weg an der Kirche und am alten Schulgebäude aus dem Jahr 1846 vorbei, und am Ende blickt man auf das 1910 erbaute Pfarrhaus. Die Kirche und die Gemeindepfarrer haben im Dorf immer eine bedeutende Rolle gespielt. Der erste protestantische Pfarrer Adam Ludwig trat 1551 sein Amt an. Von 1664 bis 1674 und von 1681 bis zu seinem Tod im Jahr 1686 war Aegidius Henning Pfarrer in Eichen. Henning ist der Autor vieler populärer Schriften, unter anderem veröffentlichte er im Jahr 1674 die „Bauernanatomie“, eine satirische Schilderung des Lebens und Verhaltens der Dorfbevölkerung. In der Reihe der bedeutenden Gemeindepfarrer steht ferner Otto Löber, der die Pfarrstelle von 1990 bis 2007 innehatte. Während seiner Amtszeit fand von 2001 bis 2005 die umfassende Renovierung der Kirche statt, wobei auch die wertvolle Ratzmann-Orgel von 1847 aufwändig restauriert wurde. Und schließlich markiert der Amtsantritt der ersten Pfarrerin von Eichen, Stephanie Stracke, im Jahr 2008 einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte der Kirchengemeinde und des Dorfes.

    Werner Brodt / Jürgen Müller


    Quellen:

    • Jürgen W. Niehoff, Nidderau: Das Untertor prägt noch heute den dörflichen Charakter, 8.10.2020, op-online.de
    • Frank Eisermann, Kulturdenkmäler in Eichen, Nidderauer Hefte Nr. 2, S. 64.
    • Wolfgang Zeihe, Namen, Familien, Schicksale in Eichen und Erbstadt. Neustadt an der Aisch 1957, S. 56, 80, 118.