Nidderau im Mittelalter


Zeit der Alemannen/Übergang zum Frühmittelalter (4.-6.Jh.)

Auf dem ehemals römisch besiedelten Gelände in Heldenbergen sind Spuren einer germanischen Niederlassung nachweisbar. Aus bereits alemannischer Zeit stammt auch ein kleiner, aber sehr bedeutender Grabfund, der 1972 beim Ausschachten einer Baugrube in Eichen entdeckt und 1996 ausführlich wissenschaftlich gewürdigt wurde. Zeitgleiche Siedlungsgruben des späten 4. bzw. 5. Jahrhunderts kamen in der Straubelgasse im alten Ortskern Heldenbergen zu Tage. Das berühmte Reitergrab von Windecken zählt bereits zum frühen Mittelalter. Archäologische Funde belegen vor allem im Bereich Heldenbergen Siedlungsstellen vom 5. - 9. Jahrhundert.

Frühmittelalter (6.-11.Jh.)

Vor dem Einsetzen der Schriftquellen im 9. Jahrhundert liefern lediglich archäologische Quellen Hinweise auf die Strukturen der Gemarkung im Mittelalter. Von einer fränkischen Besiedlung - zumindest im Bereich Heldenbergens - ab dem 6. Jahrhundert ist auszugehen. Grubenhäuser und ein Steinfundament im Baugebiet Schlosspark I (1980) weisen auf einen alten Ortskern südlich der Oberburg, Gruben an der Mittelburg auf eine frühe Besiedlung außerhalb des alten Ortskernes Heldenbergen.

Im 8. Jahrhundert ist das Gebiet der heutigen Stadt Nidderau von Mainz ausgehend bereits zu großen Teilen christianisiert. Die erwähnten Siedlungsspuren bei oder im heutigen Heldenbergen lassen auf Ansiedlungen schließen, die dem berühmten Leichenzug des Bonifatius im Jahre 754 wohl Gelegenheit zu einer Rast bieten konnten. Die im Jahre 747 erstmals erwähnte, vermutlich aber viel ältere, Hohe Straße von Mainz nach Thüringen führt als bedeutende mittelalterliche Handelsstraße durch die Nidderauer Gemarkungen.

Urkundlich erwähnt werden Nidderauer Stadtteile erst im 9. Jahrhundert. Ludwig der Fromme schenkt Aeckard, einem Getreuen des Kaisers, 839 Reichsgut in Stetin (Kilianstädten), Cavilla (Marköbel) und Helidiberga (Heldenbergen) im Gau Wetereiba (Wetterau). Etwa um die gleiche Zeit schenkt Udalrich seine Güter in Tezelenheim (Windecken), Ostheim und Butenestat (Butterstadt) dem Kloster Fulda. Obwohl es mit Sicherheit das Dorf Eichen damals auch schon gab, findet es sich erst 1035 in einer Urkunde, der zufolge König Konrad II sein Eigengut locus Eichine seiner Gattin Gisela schenkt. Erst 1237 wird Erbstadt erstmals urkundlich erwähnt, obwohl es ebenfalls vermutlich älter ist.

In der Folgezeit tauchen die Orte immer wieder in Schenkungsurkunden auf und geben Aufschluss über die Besitzverhältnisse zu damaliger Zeit. So hat beispielsweise 1016 Kaiser Heinrich II ein Eigengut in Ostheim und der Bischof von Bamberg verpfändet 1239 seinen Ort Windecken an Hanau.

Hochmittelalter (11.-13.Jh.)

Über Eichen ist außer der Tatsache, dass es zur Pfarrei Heldenbergen gehört aus der Zeit des Hochmittelalters wenig bekannt. Auch Erbstadt kommt in dieser Zeit noch keine größere Bedeutung zu. Eine adelige Familie de Heldebergen ist 1079 erstmals nachweisbar Sie lebt vermutlich auf einem Hofgut im Bereich der katholischen Kirche und siedelt dann wohl auf das Oberburg-Gelände um. In das Jahr 1192 datiert die erste sichere Erwähnung der Heldenberger Kirche.

Im 13. Jahrhundert wird in einer Urkunde ein Konrad, im 14. Jahrhundert ein Johann von Ostheim erwähnt, was auf ein dortiges Rittergeschlecht schließen läßt. In Ostheim gibt es zudem ein Kloster, Weingärten und seit dem 12. Jahrhundert ein Ortsgericht. Die Kirche wird vermutlich in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts errichtet.

1262 lassen die Herren von Hanau über dem Dorf Tezelnheim die Burg Wunnecke, deren Namen nur wenig später auf den Ort übergeht, erbauen. Im darauf folgenden Jahrhundert werden erstmals auch die Oberburg und die Nassburg in Heldenbergen sowie die Naumburg bei Erbstadt erwähnt.

König Rudolf von Habsburg verleiht 1288 Windecken, das sich im Besitz Ulrich von Hanaus befindet, die Stadt- und Marktrechte. Damit setzt eine Aufwärtsentwicklung ein und Windecken wird Amt, zu dem die Ortschaften Ostheim, Eichen, Niederdorfelden, Marköbel und zeitweise Erbstadt gehören.

Windecker Hexenturm im Sonnenuntergang


Spätmittelalter (13.Jh.-frühe Neuzeit)

Die meisten Ortschaften sind in dieser Zeit befestigt. Hinweise auf die bereits 1307 urkundlich erwähnte Windecker Stadtmauer sind archäologisch erfasst. Mauerreste an der Rückfront der Häuser an der Südseite des Windecker Marktplatzes lassen die Frage nach dem Verlauf der eigentlichen mittelalterlichen Stadtmauer aufkommen. Die heute noch teilweise gut erhaltene Stadtbefestigung dagegen stammt wohl aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Teile des auf einer Karte von 1727 eingezeichneten, jedoch aus dem Stadtbild verschwundenen Stadtzwingers wurden bei Bauarbeiten in der Windecker Eugen-Kaiser-Straße aufgedeckt.

Von der Eichener Befestigung ist noch das Untertor vorhanden. In Ostheim erinnern der Straßenname Am Eicher Tor und die Flurbezeichnung In den Pfortenwiesen vor der ehemaligen Klosterpforte an die Befestigungsanlagen.

Archäologische Nachweise liefert der Boden in Heldenbergen wieder für eine Besiedlung im 14. Jahrhundert. Im Wirtschaftsgarten der Oberburg fanden sich in einem Erdkeller Feinkeramik, Stapel von Napfkacheln, ein Eisenschwert und ein Hiebmesser.

Großen Einfluss auf die Entwicklung der Stadtteile haben die Klöster. Sie besitzen viel Land und zahlreiche Gebäude. Den Benediktinern gehören beispielsweise die Naumburg und verschiedene Anwesen im Bereich der Naumburger Straße und den Zisterziensern die Weinberge oberhalb des Bahnhofs Nidderau. Das Heilig-Geist-Hospital besitzt das Hofhaus und über 60 ha Land.

Die Juden haben innerhalb der Grafschaft Hanau nur in Steinau, Hanau und Windecken Niederlassungsrechte, wobei ursprünglich die jüdische Gemeinde in Windecken am größten ist. Bereits 1429 wird eine Synagoge erwähnt und 1505 entsteht hier der erste jüdische Friedhof der Grafschaft. Auch in Heldenbergen, das zur Burg Friedberg gehört, gibt es im Mittelalter eine größere jüdische Gemeinde mit einer eigenen Synagoge.

An archäologischen Funden zeigen sich Renaissance- und Barock-Kacheln aus dem Schloss Windecken als von feinster handwerklich-künstlerischer Qualität und somit überregionaler Bedeutung.

Im Dreißigjährigen Krieg kommt es in allen Nidderauer Gemarkungen zu mehr oder weniger großen Zerstörungen. So wird der alte Ortskern von Eichen am 15. Mai 1635 binnen einer Stunde bis auf ein Haus komplett zerstört. Die Kirche wird an gleicher, der Ort an anderer Stelle wieder aufgebaut. Im gleichen Jahr erfolgt die Plünderung der Heldenberger Kirche und des Windecker Schlosses, das am 27. November 1646 ebenso wie Teile der Windecker Altstadt endgültig zerstört wird. In Heldenbergen überstehen wohl lediglich einige steinerne Gebäude die Verwüstungen. In Ostheim werden nachweislich 86 Häuser und 83 Scheuern, was nahezu dem ganzen Ort entspricht, zerstört. Auch Erbstadt bleibt von Zerstörungen nicht verschont. Die Wiederaufbauarbeiten nach dem Dreißigjährigen Krieg dauern an die hundert Jahre.

Es entstehen sowohl Fachwerkgebäude als auch steinerne Bauten. Ausgrabungen im historischen Pfaffenhof in Erbstadt datieren auch die Fundamente des Gebäudes in das frühe 18. Jahrhundert. Funde von Geschirr und Haushaltsgegenständen an der Nordmauer der Mittelburg geben Auskunft über den wenig bekannten Alltag jener Zeit. Noch im 18. und 19. Jahrhundert müssen die Bewohner aller Nidderauer Gemarkungen mit kriegsbedingten Einquartierungen und Zerstörungen leben. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie im Wesentlichen durch Landwirtschaft und mit kleineren Handwerksbetrieben. In Windecken arbeitet im 18. Jahrhundert ein Glockengießerei-Betrieb.