Gelegentlich fallen sie einem aufmerksamen Wanderer auf. Viel öfter stehen sie jedoch unbeachtet und vergessen am Wegesrand. Dabei können historische Grenzsteine aufschlussreiche Quellen zur Orts- und Landesgeschichte sein. Wer mit den lokalgeschichtlichen Hintergründen und Zusammenhängen nicht vertraut ist, für den bleiben die manchmal erkennbaren eingemeißelten Buchstaben oder Jahreszahlen allerdings ein Rätsel. Die Stadt Nidderau will daher bei ihren Bemühungen zum Erhalt der Grenzsteine auch Informationsdefizite abbauen und Aufklärung betreiben.
Als sogenannte Kleindenkmale prägen historische Grenzsteine unsere Kulturlandschaft. Sie unterliegen den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes. Insbesondere in den Wäldern der Stadt Nidderau blieben solche verborgenen Schätze erhalten. Ihre Aufnahme in die digitale Denkmaltopographie (DenkXweb/Grenzsteine) ist in Arbeit. http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/
Zumeist sind historische Grenzsteine auch heute noch gültige Vermessungspunkte, für die das Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation zuständig ist. Seit Anfang 2005 werden in diesem Amt die Aufgaben des früheren Hessischen Landesvermessungsamtes fortgeführt. Die örtliche Zuständigkeit der vorherigen Katasterämter ist auf die Ämter für Bodenmanagement übergegangen. Aus den Katasterämtern des Main-Kinzig-Kreises und des Wetteraukreises wurde das Amt für Bodenmanagement Büdingen.
In Hessen hat das Bemühen um den Erhalt historischer Grenzsteine schon eine lange Tradition. Dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation obliegt diese Aufgabenstellung. Unverzichtbare Hilfe ist dabei ehrenamtliches, persönliches Engagement geworden. Seit rund 30 Jahren gibt es in Hessen ehrenamtliche Obleute für historische Grenzsteine. Ihre Aufgabe vor Ort ist das Erfassen, Dokumentieren und Überwachen der Grenzsteine.
Im August 2005 wurde vom Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation Günter Vollbrecht als Obmann mit der Zuständigkeit für den Bereich der Stadt Nidderau bestellt. Die Stadt Nidderau unterstützt und fördert dessen Arbeit auf vielfältige Art und Weise. Ab 2016 führen Herr Michael Rehrauer und Herr Bernd Siebel als Obleute die Arbeit fort. Kontakt: grenzsteine-nidderau@t-online.de
Außer Heldenbergen gehörten historisch alle Orte, die heute Nidderauer Stadtteile sind, zur Grafschaft Hanau. Beim Aussterben der männlichen Linie der Grafen von Hanau fiel die Grafschaft 1736 infolge eines Erbvertrages an die Landgrafschaft Hessen-Kassel. Aus letzterer wurde 1803 das Kurfürstentum Hessen. Die ursprünglich hanauischen Orte grenzten an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, aus der 1806 das Großherzogtum Hessen wurde. Zu dessen Territorium gehörte Heldenbergen. Landesgrenzsteine aus diesen Zeiten blieben bis heute in Nidderau erhalten.
1866 wurde das Kurfürstentum Hessen von Preußen annektiert. Auch dieser Einschnitt wird heute noch durch Grenzsteine sichtbar. In dem Zusammenhang kam es zu Gebietsänderungen im Bereich des heutigen Stadtteils Erbstadt. Das Königreich Preußen trat einen kleinen Teil seiner Neuerwerbung an das Großherzogtum Hessen ab. Die neue Landesgrenze wurde mit Steinen markiert, die heute noch zu sehen sind. Gleichfalls blieben an den Grenzen zu benachbarten Gemeinden Gemarkungsgrenzsteine erhalten.
Hier können Sie einen Flyer “Historische Grenzsteine in Nidderau” als PDF-Datei herunterladen.
Einige Beispiele mögen einen Eindruck vermitteln von den erhalten gebliebenen steinernen Zeitzeugen, die bis zu vierhundert Jahre alt sind.
Der Grenzstein wurde nach dem erhalten gebliebenen Protokoll zu dem damaligen Vorgang im Jahre 1732 gesetzt. Die Landscheider aus Windecken und Ostheim waren dabei beteiligt. Beide Orte verwalteten zu der Zeit noch gemeinsam ihren Markwald. Das WO steht für Windecken und Ostheim. Das MK auf der Gegenseite steht für Marköbel.
Mit dem Friedensvertrag von 1866 trat das Königreich Preußen einen kleinen Teil des eroberten Territoriums an das Großherzogtum Hessen ab. 1867 wurde an der neuen Landesgrenze dieser Stein gesetzt. Das GE steht für Gemeinde Erbstadt und das KP für Königreich Preußen. Auf der Gegenseite ist das GH für Großherzogtum Hessen sehr gut erhalten geblieben. Die Numerierungsfolge, No 23 und No 21, war auf der jeweiligen Landesseite unterschiedlich.
Nach der Annexion des Kurfürstentums Hessen (KH) ließ das Königreich Preußen solche Markierungen entfernen. Einige Grenzsteine wurden dabei übersehen. So auch der Stein No 42. Auf der Gegenseite ist das GH für Großherzogtum Hessen zu erkennen. Gelegentlich findet man neben den Grenzsteinen aus dem Boden ragende Findlinge. Offenbar handelt es sich dabei um Grenzsteine aus einer früheren Zeit.
An der Grenze des Großherzogtums Hessen und des Kurfürstentums Hessen wurden 1844 diese Steine gesetzt. Nach der Annexion des Kurfürstentums im Jahre 1866 durch Preußen wurden sie verändert. Auf dem linken Bild ist über der Jahreszahl 1844 ein großflächiger Abtrag erkennbar. Das vorher dort vorhandene KH wurde abgetragen und durch das KP für das Königreich Preußen ersetzt. Das GH auf dem anderen Stein steht für Großherzogtum Hessen. Unter der Jahreszahl ist ein Abtrag erkennbar. Hier wurden die Zahlen der ursprünglichen Nummernfolge entfernt.
Der Grenzstein wurde 1610 gesetzt. Für die erste Zahl der Jahreszahlen wurden damals vielfach solche Zeichen verwandt. Die Null am Ende ist noch schwach erkennbar. Darüber blieb das WO für den Markwald Windecken und Ostheim erhalten. Ganz oben wurde 1866 das KP für Königreich Preußen eingemeißelt. Das dort vorher angebrachte Hanauer Wappen wurde entfernt. Der großflächige Abtrag ist noch erkennbar. Auf der Gegenseite wurde das damals noch vorhandene Wappen der Burg Friedberg ebenfalls entfernt und ein GH für Großherzogtum Hessen angebracht. Nahezu 400 Jahre hat dieser Grenzstein alle Einwirkungen durch Natur und Mensch überstanden. Bei einer angenommenen Umtriebszeit von 120 Jahren konnte ihm die Bewirtschaftung von bis zu vier Waldgenerationen nichts anhaben. In vier Jahrhunderten müssen immer wieder Menschen darauf geachtet haben, dass er nicht zu Schaden kam.
Aktivitäten rund um das Thema „Historische Grenzsteine“ und Grenzstein Wanderwege
Die Übergabe der Grenzsteingalerie (Lapidariumam) 30. August 2004
Im Jahre 2004 war schon ein erster Schritt auf dem Weg zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema historische Grenzsteine erfolgt. Unter der Regie des Vereins nutzungsberechtigter Bürger wurde im Stadtteil Windecken eine Grenzsteingalerie eingerichtet, die im August des Jahres an die Stadt Nidderau übergeben werden konnte. In der kleinen Grünanlage zwischen Ostheimer Straße und Friedrich-Ebert-Straße wird mit Grenzsteinen auf die Geschichte der Grenzen Nidderaus verwiesen. Originalsteine und Nachbildungen von heute noch vorhandenen Grenzsteinen sind dort zu sehen. Auf einer Schautafel werden deren Markierungen erläutert.
2009 Wanderweg „Historische Grenzsteine Eichen Unterwald“
Am 2. Juli 2009 übergaben die Vereine „Heimatfreunde Windecken 1910 e.V.“ und der „Verein nutzungsberechtigter Bürger e.V.“ den Wanderweg Historische Grenzsteine an Bürgermeister Gerhard Schultheiß. Im Altkreis Hanau hatte damit Nidderau, die lebendige Stadt mit Geschichte, den ersten Grenzsteinwanderweg im Main-Kinzig-Kreis.
Der Wanderweg verläuft entlang der Grenze zwischen dem Eichener Unterwald und dem Bürgerwald Windecken. Bei dem Übergang eines Teils des ehemaligen Markwaldes Windecken und Ostheim auf die Gemeinde Eichen wurden dort anno 1737 23 Grenzsteine gesetzt.
Vom Ortsausgang Eichen in Richtung Ostheim beginnt der Weg wenige Meter jenseits des Bahnübergangs links von der K 851. Parkplätze stehen im Bereich des Bahnhofs Eichen zur Verfügung.
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2018 Wanderweg „Historische Grenzsteine Erbstadt Krebsbachweg“
Anno 1781 wurde die Grenze zwischen dem zum „Hochfürstlich Hessen Casslichen Hause Naumburg“ gehörenden Ort Erbstadt und den „Kaiserlich Frei Reichsburg Friedbergischen“ Ortschaften Kaichen und Heldenbergen in beidseitigem Vernehmen reguliert. Die Leitung hatte der „Fürst Ysenburg-Birsteiner Amtsregistrator und Wegekommissar E. N. Budden“.
Der Wanderweg verläuft entlang dieser Hoheitsgrenze. Die Grenze wurde teils mit Wappen-, teils mit Laufsteinen versteint. Erstere waren behauen auf der einen Seite mit dem Hessischen Löwen und auf der anderen Seite mit dem doppelköpfigen Adler; letztere auf Hessen Casseler Seite mit HC und auf Burg Friedberger Seite mit BF und alle mit der Jahreszahl 1781 sowie fortlaufender Nummer. Nach der Übernahme des Kurfürstentums Hessen durch das Königreich Preußen 1866 und dem Großherzogtum Hessen, wurden die Steine neu behauen mit KP und GH und neu nummeriert. Am Ortsausgang Erbstadt bei der Anglerhütte beginnt der Weg wenige Meter jenseits des Krebsbachs in Richtung Heldenbergen. Auf dem Rückweg bietet sich an, den Grenzgang mit einem Besuch des alten Steinbruchs zu verbinden. Der Weg zweigt oberhalb der Hainmühle rechts ab und führt bergauf Richtung zur Naumburg. Auf gut ausgebautem Forstweg geht es dann zurück zum Ausgangspunkt.
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Weitere Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft Historische Grenzsteine Nidderau
2012
Nur wenige alte Grenzsteine blieben im freien Feld über Jahrhunderte bis heute erhalten. Ganz generell sind dort die meisten jener steinernen Zeitzeugen den vielfachen Flurbereinigungen oder auch den immer größer werdenden landwirtschaftlichen Maschinen zum Opfer gefallen. Im Nidderauer Stadtteil Erbstadt hat jedoch an der Grenze zur Gemarkung Bönstadt ein solcher Methusalem diese Gefahren überlebt.
Die Markierungen KP für Königreich Preußen und GH für Großherzogtum Hessen sowie die fortlaufende Nummer 614 sind sehr gut erhalten. Neben der Gemarkungsgrenze markiert der Stein auch die Grenze zwischen Main-Kinzig-und Wetteraukreis. Aus den Markierungen wird deutlich, dass dort früher sogar Landesgrenze verlief. Für die seit 1866 preußischen und vorher kurhessischen Erbstädter begann hier damals mit dem Großherzogtum Hessen das Ausland.
2006
Die „Präsenz“ ist eine Besonderheit bei der evangelischen Kirchengemeinde Windecken. Über Jahrhunderte blieb hier bis heute eine kirchliche Sonderkasse mit Stiftungscharakter erhalten, aus deren Vermögenserträgen früher bestimmte Leistungen erbracht wurden. Anno 1751 ließ die Präsenz ihre Grundstücke in der Gemarkung Windecken absteinen. In der offenen Feldflur sind nahezu alle historischen Grenzsteine verschwunden. Doch ein Exemplar blieb erhalten.
Etwa 30 Jahre verbrachte der Stein im Garten der Familie Menger in Windecken, die ihn aus abgelagertem Erdaushub geborgen hatte. Frau Menger war gerne damit einverstanden, dass der Stein nun vor dem evangelischen Gemeindehaus in Windecken einen der Öffentlichkeit zugänglichen Platz gefunden hat. Er ist damit quasi zu seinen Eigentümern zurückgekehrt.
2006 bis heute
Erhalten blieben alte Grenzsteine überwiegend in den Wäldern unserer Heimat. Dort sind sie bei der Forstbewirtschaftung Gefahren ausgesetzt. Bei den eigentlichen Fällarbeiten sind Hinweise und Kontrollen durch die Revierförster noch ganz gut möglich. Obwohl auch hier die Reviere größer geworden sind. Allerdings werden die für den Holzrückebetrieb und den Transport zum Einsatz kommenden Fahrzeuge auch immer größer. Dadurch sind oft die an den Wegrändern sitzenden Steine gefährdet.
Solche Überlegungen waren für die Arbeitsgemeinschaft „Historische Grenzsteine“ Anlass, Hinweispfähle mit einem Schild „Historischer Grenzstein“ an alten Grenzsteinen zu setzen, um einen Beitrag zum Erhalt der Kleindenkmale zu leisten. Deren Gefährdung durch Forstfahrzeuge soll damit gemindert und die Fahrer von großen Transport- und Rückefahrzeugen aufmerksam auf die Kleindenkmale gemacht werden.
Wanderungen mit Gruppen aus verschiedenen Vereinen und Schulklassen aus Nidderau.
Die Stadt Nidderau unterstützt alle Bemühungen, Informationen über alte Grenzsteine in ihren Wäldern zu vermitteln. Erst das Wissen um die geschichtlichen Hintergründe macht aus oft unbeachteten Steinen am Wegesrand Zeugen der Lokalgeschichte. Ein Weg dazu sind die Grenzsteinwanderungen einiger Vereine, die unter der Führung des Obmannes für historische Grenzsteine in Nidderau, Günter Vollbrecht, schon stattgefunden haben. In alten Zeiten waren solche Gänge um die Gemeindegrenzen unter Beteiligung gerade auch der Jugend gang und gäbe. Die Standorte der Steine sollten sich einprägen und an die nächste Generation weitergegeben werden. Das Gedächtnis der Bevölkerung war der Ersatz für die noch nicht vorhandenen Flurkarten. Auch der Zustand der Steine wurde dabei geprüft. Fehlende Steine wurden anschließend ersetzt. Die heutigen Grenzgänge und Wanderungen knüpfen an diese Tradition an. Sie sind ein Beitrag, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Das Wissen um die Bedeutung der Kleindenkmale kann auch die Bereitschaft fördern, sich für das Bewahren der alten Grenzsteine zu engagieren.