Persönliche Stellungnahme von Bürgermeister Bär zur aktuellen Situation der Flüchtlingsunterbringung in Nidderau 


2015 sagte der damalige Bundespräsident Joachim Gauck „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich. Unser Asyl- und Flüchtlingsrecht bemisst sich nicht nach Zahlen, und doch wissen wir unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt, auch wenn wir nicht genau wissen, wo die Grenzen liegen.“ Treffender kann man nach meiner Sicht auch die aktuelle Situation acht Jahre später nicht beschreiben. Wir als Stadt Nidderau wissen um unsere rechtliche und moralische Verantwortung bei der Flüchtlingsunterbringung, aber auch um unsere Möglichkeiten und Grenzen. Es bleibt unser Anspruch, die uns zugewiesene Aufgabe so gut es geht zu erledigen, spüren aber gleichzeitig die Notwendigkeit, auf die dabei auftretenden Herausforderungen und Schwierigkeiten hinzuweisen.

 

Aktuell leben in Nidderau insgesamt 660 Asylbewerber, Geflüchtete und Kriegsvertriebene aus der Ukraine. Davon stammen etwa 200 aus der Ukraine und etwa 460 aus sog. "Drittstaaten", vor allem Afghanistan und Syrien. In diesen Zahlen sind nicht diejenigen Menschen berücksichtigt, deren rechtlicher Status sich mittlerweile geändert hat oder die die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben. Alleine für dieses Jahr wurden uns über 300 weitere Menschen zur Zuweisung angekündigt und aktuell sieht es nicht danach aus, als dass die Zahlen in den kommenden Jahren sinken werden. Die Stadt Nidderau hat etwa 21.000 Einwohner, 300 Menschen entsprechenden ca. 1,5 % der Bevölkerung. Diese Zahlen sollen helfen, die Situation einordnen zu können, in der wir uns als Verwaltung befinden.

 

In der Bürgerversammlung habe ich offen dargelegt, dass die Stadtverwaltung auf verschiedensten Wegen versucht, die uns zugewiesenen Menschen in Nidderau unterzubringen. Wir stellen Containeranlagen auf, kaufen Häuser und mieten Wohnungen an, in Ergänzung zu den privaten Vermietungen. Doch trotz unserer Bemühungen werden wir es nicht schaffen, die aktuell über 300 alleine für dieses Jahr angekündigten Menschen menschenwürdig, dezentral und in überschaubaren Größen im Stadtgebiet unterzubringen. Dazu mangelt es an geeigneten Grundstücken, verfügbaren Immobilien und perspektivisch auch am Geld. Nidderau befindet sich im Frankfurter "Speckgürtel" um Frankfurt und jeder weiß, wie knapp geeigneter und bezahlbarer Wohnraum hier ist.

 

Überhaupt ist die räumliche Unterbringung nur ein kleiner Schritt bei der Bewältigung dieser Aufgabe: Die neu zu uns kommenden Kinder und Jugendlichen müssen in KiTas oder anderen Einrichtungen betreut und in Schulen unterrichtet werden. Die Erwachsenen müssen unterstützt werden beim Spracherwerb und ihrer Integration in Gesellschaft und - wo möglich - Arbeitsmarkt. Gleichzeitig herrscht aktuell ein insgesamt großer Mangel an Fachkräften, insbesondere im pädagogischen Bereich, der zu Unterrichtsausfall an Schulen und andernorts Einschränkungen im KiTa-Betrieb führt. Zudem diese Menschen, die über ihre berufliche Tätigkeit die Integration unterstützen, auch durch die öffentliche Hand und in vielen Fällen durch die Stadt beschäftigt werden müssen.

 

Wir sind sehr dankbar über das große Engagement der Flüchtlingshilfe, der Kirchen, von Vereinen und anderen Teilen der Bürgerschaft, die hier eine wichtige ehrenamtliche Unterstützung leisten. Gleichzeitig ist mir - auch aus Rückmeldungen - bewusst, dass auch hier die Möglichkeiten nicht unbegrenzt sind.

 

Aus dem Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen weiß ich, dass wir als Stadt Nidderau nicht alleine damit sind und deshalb schäme ich mich nicht öffentlich festzustellen, dass wir als Kommunen an unsere Grenzen stoßen und mehr Unterstützung bzw. eine Entlastung bei dieser Aufgabe benötigen.

 

Denn nur mit mehr Unterstützung und Entlastung können wir dieser großen Aufgabe in dem Maße gerecht werden, wie wir dies uns wünschen.

 

Link zur Präsentation auf der Bürgerversammlung: https://www.nidderau.de/pdfs-und-dokumente/soziales/2023-10-fluechtlingssituation.pdf?cid=dmr